Schon früh im Wintersemester schwor Professor Meinel uns sechs Bachelorstudenten auf unsere Aufgabe ein. Beim Kick-Off Anfang Oktober segelten zwei von uns noch im Ionischen Meer, einer war aus der Heimat im Ruhrpott zugeschaltet. Die Mission war uns trotzdem allen klar: Inhalte in die HPI Schul-Cloud bringen. Unser Vorgängerprojekt, wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte haben bereits die Webplattform, Android und iOS-Apps geschaffen, auf deren Grundlage wir weiterarbeiten durften. Ein Themen-Editor existierte bereits und es ließen sich auf Dokumenten eine Sammlung von Materialien verlinken. Wir wollten aber darüber hinausgehen und stellten uns folgende grundlegende Fragen:
- Wie können wir personalisierte und interaktive Angebote in die HPI Schul-Cloud bringen und gleichzeitig die Identität der Schüler schützen?
- Wie ermöglichen wir es Lehrern, ihre eigenen Ideen für Unterrichtsmaterial in der HPI Schul-Cloud zu verwirklichen?
- Wie können wir die Resultate von Lernsoftware in der HPI Schul-Cloud bündeln?
- Wie können Anbieter von Lernmaterialien ihre Inhalte über die HPI Schul-Cloud vertreiben?
Um uns mit dem Einsatzbereich der HPI Schul-Cloud vertraut zu machen, haben wir im November das Gymnasium Carolinum in Neustrelitz und im Januar das Marie-Curie-Gymnasium in Ludwigsfelde besucht und mit Schulleitern und Lehrern gesprochen. Einen Einblick in unsere Erfahrungen findet ihr hier. Außerdem haben wir auf der didacta einen Blick in den Bildungsmarkt geworfen. Dazu saßen wir im Verlaufe des Jahres in einer Menge AGs, Meetings und haben Interviews mit unseren Partnern und anderen Marktteilnehmern geführt. Da wir unsere Arbeit gut aufgeteilt haben, sind unsere Ergebnisse in verschiedenen Gebieten entstanden und werden im Folgenden vorgestellt. Für alle Anwendungen gilt, dass diese prototypisch entworfen wurden und zukünftig in die HPI Schul-Cloud integriert werden.
Einfache Nutzung von Drittanbieter-Material
Sowohl bettermarks als auch Cornelsen bieten interaktive Schulbücher oder Lerntools an. Sie speichern den Bearbeitungsstand von Aufgaben und analysieren für den Lehrer die Schwachstellen der Schüler. Dazu muss der Schüler die Schulbücher mit einem Account nutzen. Bisher konnte das Schulbuch in der HPI Schul-Cloud mit einem Thema verlinkt werden. Der Schüler musste sich dort einen Nutzeraccount erstellen und bei jedem Aufruf damit einloggen. Deshalb haben wir mit bettermarks die Verwendung des OAuth2-Standards für einen Single-Sign-On (SSO) vereinbart. Single-Sign-On heißt, dass der Schüler das Schulbuch mit seinem existierenden Account aus der HPI Schul-Cloud nutzen kann. Da er bereits eingeloggt ist, kann er ohne Eingabe von Nutzerdaten sein personalisiertes Schulbuch aufrufen und damit weiterarbeiten.
Aus dem Nutzerkonto in der HPI Schul-Cloud geht die Identität des Nutzers hervor. Zum Beispiel kann oftmals aus der E-Mail-Adresse auf die reale Person geschlossen werden. Nach Artikel 32, Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung der EU muss ein angemessenes Schutzniveau der Daten hergestellt werden. In unserem Fall heißt das: Wir müssen die reale Identität der Person hinter einem Pseudonym verbergen, da damit das Schulbuch genau so gut genutzt werden kann und wir vor Datenmissbrauch schützen. Deshalb haben wir zusammen mit dem Team der HPI Schul-Cloud ein System zur Pseudonymisierung entwickelt und verwenden dieses für die Einbindung von personalisierten und externen Materialien. Neben diesen zwei Grundfunktion der Inhalte-Einbindung haben wir weitere Funktionen entwickelt. Damit Lehrer und Schüler im Schulbuch interagieren und beispielsweise individuelle Aufgaben zuweisen können, stellen wir eine Schnittstelle bereit für Klassendaten – also die Zuordnung von Lehrern und Schülern. In der Fachsprache wird dies als Rostering bezeichnet. Daneben gibt es den Fall, dass ein Lehrer direkt zu einer bestimmten Aufgabe, einem Erklärungstext oder einer Abbildung in dem Schulbuch springen möchte. Dafür haben wir eine Lesezeichen-Funktion programmiert. Dadurch müssen Schüler nicht selbst zur richtigen Stelle navigieren und wertvolle Unterrichtszeit wird eingespart.
Das Bachelorprojekt 2017/2018 mit Prof. Christoph Meinel und Betreuer Alexander Kremer
Learning Analytics
Computer sind gute Analysten. Deshalb möchten wir sie dazu nutzen, um dem Lehrer bei der Auswertung von Schüler-Leistungen zu helfen. Wir haben zu diesem Zweck das LernCockpit entworfen. Darin sieht der Lehrer in der HPI Schul-Cloud wie seine Schüler abgeschnitten haben und wo Förderbedarf besteht. Der erste Schritt ist dabei ein Aktivitätslog, wodurch der Lehrer überhaupt sieht, in welchen Bereichen die Schüler Aufgaben erledigt haben. Im Hintergrund nutzen wir dafür einen Learning Record Store (LRS). Dieser ist wie eine Datenbank für Lern-Ereignisse. Das Lesen einer Buchseite, das Anschauen eines Videos oder das Erledigen einer Aufgabe kann darin protokolliert werden. Selbstverständlich wird der Schüler darüber aufgeklärt, welche Aktionen von ihm aufgezeichnet werden. Um die Datenbasis für das LernCockpit zu vergrößern, sollen auch externe Anbieter ihre Auswertungen in den Learning Record Store einfließen lassen. Dazu haben wir eine Schnittstelle gebaut, die die Ergebnisse in der Form des LRS entgegennimmt.
Edtr.io
Edtr.io ist der Name des neuen Editors der im Laufe unseres Projektes entstanden ist. Davor haben wir klassische Office-Word-Editoren, Online-Editoren wie Dropbox Paper und Ory ebenso wie den bisherigen Editor in der HPI Schul-Cloud untersucht. Als Anforderungen für den Editor resultierten daraus:
- Unterricht aus vielfältigen Medien wie Videos, Mathe-Simulationen oder Quizze erstellen zu können
- eine einfach zu erlernende Bedienoberfläche zu bieten
- das erstellte Material wiederverwendbar bzw. rekombinierbar zu machen
- den Editor, um neue Inhaltstypen erweitern zu können
Durch diese Anforderungen entwickelten wir von Grund auf einen neuen Editor, edtr.io. Dieser hat bereits einen größeren Funktionsumfang als der bisherige Editor und kann zum Beispiel auch die Schulbücher problemlos einbinden. Außerdem kann der Editor Einträge im LRS hinterlassen. Dies ermöglicht Lehrern selbst Aufgaben zu erstellen und Auswertungen zu erhalten.
Eine Marktanalyse für Bildungsmedien
Ein LernStore ist unsere Vision eines iTunes für den digitalen Softwaremarkt. Der Store soll Lehrern und Schulen die Möglichkeit bieten, Lerninhalte zentralisiert zu erwerben, um diese über Lernmanagementsysteme (LMS) direkt im Unterricht einzusetzen. Solch einen LernStore gibt es in Deutschland bisher nicht, und die Hürden liegen hoch: Der LernStore muss politische föderale Rahmenbedingungen erfüllen, die vor allem auf Seiten des Datenschutzes bestehen. Aus Sicht der Contentanbieter sollte der LernStore Anreize schaffen, dass diese sich zusammenschließen und ihre Lerninhalte gemeinsam vertreiben. Mit diesen Ideen als Grundlage, um einen LernStore zuhaben wir in diesem Semester eine Anforderungsanalyse durchgeführt, um den Markt von Bildungsmedien für Content und Lizenzierung zu verstehen, auf der unsere Nachfolger im Bachelorprojekt 2018/19 aufbauen können.
Nach all den Details über unsere Arbeit sei an dieser Stelle auf unsere Präsentation beim Bachelorpodium und die Pressemitteilung vom HPI zu verweisen.
Autoren: Dominik Glandorf & Dominik Jäkel
Hinweise der Redaktion
Bildnachweise: HPI/K. Herschelmann
Sprachlicher Hinweis: Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird an dieser Stelle nur die männliche Form verwendet.