Ulrike Meyer ist Lehrerin an einer MINT-EC-Schule in Istanbul. Die Schule ist eine türkische Schule mit deutscher Abteilung, die sowohl den Erwerb des türkischen Schulabschlusses als auch des Abiturs anbietet. Sie berichtet von der derzeitigen Situation in der Türkei und wie sie die HPI Schul-Cloud im Unterricht verwendet.
Frau Meyer, in Deutschland öffnen die Schulen stufenweise. Wie ist die Situation in der Türkei?
Mitte März wurden die Schulen in der Türkei geschlossen. Eine Ferienwoche wurde von April in den März vorgezogen. Seit dem 23. März findet der Unterricht ausschließlich digital statt. Für türkische Schüler:innen werden über Fernsehprogramme Inhalte auf Türkisch nach türkischen Unterrichtsplänen ausgespielt. Außerdem gibt es für sie auch Übungsaufgaben in einer digitalen Lernumgebung, die auch vor der Pandemie schon verfügbar war. Vor Kurzem wurde entschieden, dass die Schulen in diesem Schuljahr nicht mehr öffnen. Erst im September könnte also vielleicht wieder Präsenzunterricht stattfinden.
Welche Maßnahmen hat Ihre Schule bzgl. der Schließung ergriffen?
Wir unterrichten auch naturwissenschaftliche Fächer auf Deutsch. Das türkische Fernsehprogramm war also ungeeignet. Ich unterrichte beispielsweise Physik und Mathematik auf Deutsch. Es ist für die Schüler:innen, die Deutsch lernen, besonders wichtig, kontinuierlichen Unterricht zu haben, weil das Sprachwissen sonst verloren geht. Deshalb wollten wir möglichst den Stundenplan beibehalten. Wir haben uns für die HPI Schul-Cloud als Lernumgebung entschieden.
Wie haben Sie die HPI Schul-Cloud vor den Schulschließungen genutzt?
Wir haben die HPI Schul-Cloud anfangs nur testweise genutzt. Das WLAN an der Schule hat nicht ausgereicht, die Infrastruktur war noch nicht ausgebaut. Viele Schüler:innen wohnen auch im Internat und haben dort nicht alle Voraussetzungen. Wir wollten immer ein Konzept entwickeln. Corona hat das dann beschleunigt und wir haben den Prozess eingeleitet.
Und wie sah der Prozess aus?
Wir haben in Zusammenarbeit mit der türkischen Schulleitung über einen digitalen Elternbrief die Eltern und Schüler:innen informiert. Und zum Ende der Ferienwoche haben wir die Registrierungen abgeschlossen. Gleichzeitig haben unsere Lehrkräfte an MINT-EC-Webinaren teilgenommen und die Online-Fortbildungen zur HPI Cloud genutzt und sich zusätzlich in Teams ausgetauscht, um ihr Wissen zu teilen.
Wie lief dann die Arbeit mit der HPI Schul-Cloud ab?
Am ersten Tag musste noch improvisiert werden, weil der Server der HPI Schul-Cloud umzog. Dann lief es aber gut. Ich mache Anwesenheitskontrollen, die hier verpflichtend sind, immer über die HPI Schul-Cloud. In den Kursen lege ich Themen an und lade dort beispielsweise Arbeitsblätter oder Erklärungen hoch. Dafür nutze ich auch Videos zur Darstellung von Inhalten in Physik. Da findet man ja Einiges im Internet. Die Schüler:innen erledigen ihre Aufgaben teilweise schriftlich und laden sie als Fotos hoch, andere nehmen auch Audios auf, weil ja besonders auch die Aussprache trainiert werden muss.
In der zweiten Woche der Schulschließung/des Online-Unterrichts habe ich meine Routine etwas geändert und angefangen, auch mit verschiedenen Videokonferenztools zu arbeiten. Ich habe mich dann gefreut, als auch in der HPI Schul-Cloud eine Videosoftware zur Verfügung war. Big Blue Button habe ich sofort freigeschaltet, denn ich bin froh, jetzt ein Tool zu nutzen, was datenschutzkonform ist.
Und wie nutzen Sie Big Blue Button genau?
Ich nutze das Tool für Live-Unterricht, der nicht täglich stattfindet und an dem auch nicht immer alle Schüler:innen teilnehmen können. Ich finde es super, dass man Break Out-Räume für Gruppenarbeiten schon vorher anlegen und dann den Gruppen verschiedene Dateien zur Verfügung stellen kann. Ich nutze Big Blue Button aber auch noch anders: Ich stehe meinen Schüler:innen in den Unterrichtszeiten, und auch zu vereinbarten Sprechzeiten, immer als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Wenn sie bei der Bearbeitung einer Aufgabe Rückfragen haben, kommen sie in den Videoraum und fragen mich einfach. Das ist gut, weil es für die Schüler:innen auch neu ist, so selbstständig zu Hause Inhalte zu erarbeiten und Aufgaben zu bearbeiten.
Haben Sie schon eine Vision für „nach Corona…“?
„Nach Corona“ kann ich mir das sehr gut vorstellen, die HPI Schul-Cloud noch weiter zu nutzen, also auch im Präsenzunterricht oder zur Organisation von Hausaufgaben oder um Mitschriften zum Nacharbeiten zur Verfügung zu stellen.
Gibt es sonst noch etwas, das Sie anderen Lehrkräften/Schulakteuren sagen möchten?
Die HPI Schul-Cloud braucht schon noch Arbeit. Sie ist ein Pilotprojekt, da läuft nicht immer alles glatt. Positiv ist aber: Mir haben ganz viele Kolleg:innen gesagt, dass sie sehr froh waren, Unterricht sofort nach der Schließung online weiter zu machen und dass es eine einheitliche Plattform dafür gibt. Ich habe in der Zeit auf jeden Fall sehr viel Digitales dazugelernt. Für die Sommerferien habe ich mir vorgenommen, noch tiefer einzusteigen und mich zum Beispiel mit Erklärvideos zu beschäftigen.
Foto: privat