Das erste Jahr als Smart School: Digitalisierung am Leininger-Gymnasium Grünstadt
Eine erste Bilanz aus der Schulpraxis

Das Thema Digitalisierung hat am Leininger-Gymnasium Grünstadt im letzten Jahr einen enormen Schub bekommen, da durch die Mitarbeit als Pilotschule an der HPI Schul-Cloud entsprechende Impulse gesetzt werden konnten. Wie das Leininger-Gymnasium zur Smart School wurde und wie wir Lehrer/-innen nachhaltig versuchen, Unterrichtsvorbereitung und -durchführung digital zu unterstützen, ist Thema dieses Artikels.

Peter Graff, Studiendirektor mit den Arbeitsschwerpunkten MINT und Digitalisierung am Leininger-Gymnasium Grünstadt

Die Ausgangsituation zu Beginn des Jahres 2017

Im Unterricht konnten Lehrer/-innen auf über 20 Smartboards sowie 10 Laptop-Beamer-Systeme zurückgreifen, die in Klassen- und Fachräumen installiert wurden, teilweise finanziert durch das rheinland-pfälzische Projekt „Medienkompetenz macht Schule“. Zusätzlich war die Nutzung von Computern in den beiden PC-Räumen durch Schüler/-innen möglich. Für den mobilen Einsatz standen zwei Laptop-Koffer und weitere Laptops in der Bibliothek zur Verfügung.
Da allerdings nur wenige Räume in unserer Schule mit unserem Computernetzwerk verkabelt waren, begannen wir vor etwa 4 Jahren mit dem Aufbau von WLAN, damit Schüler/-innen und Kollegen/-innen auch mobil auf das Internet zugreifen können. Der Ausbau verlief aber nicht zufriedenstellend: Die zeitweise installierten acht Access Points enttäuschten mit ihrer Reichweite und ihrer Zuverlässigkeit im Alltagsbetrieb, so dass ein Arbeiten mithilfe des WLANs nur in wenigen Bereichen unserer Schule möglich war.
Diese wenig zufriedenstellende technische Situation machte es auch den Lehrkräften schwer, digitale Medien didaktisch sinnvoll einzusetzen. So wurde der Ruf nach einer modernen IT-Ausstattung von Seiten des Kollegiums lauter.

Der Wendepunkt: Digitalgipfel im Juni 2017

Das Leininger-Gymnasium ist eine von etwa 300 MINT-EC-Schulen in Deutschland. In diesem Verbund mathematisch-naturwissenschaftlicher Schwerpunktschulen sind wir seit 2011 Mitglied. Als eine der ersten 27 Pilotschulen des Projekts HPI Schul-Cloud ergab sich für uns die Möglichkeit, eine erste Version der HPI Schul-Cloud im Zuge des Digitalgipfels, der im Juni 2017 in Ludwigshafen stattfand, zu präsentieren. Bei dieser Veranstaltung durften wir zahlreiche Experten/-innen aus dem Bildungsbereich begrüßen, u.a. die damalige Bundesbildungsministerin Frau Prof. Dr. Wanka und die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Frau Dr. Hubig.
Um auch die technischen Voraussetzungen für die Präsentation der HPI Schul-Cloud an diesem Tag sicherstellen zu können, musste unsere IT-Infrastruktur massiv verbessert werden. In nur wenigen Wochen vor der Veranstaltung gelang uns dies mithilfe von Sponsoren, die uns durch das HPI vermittelt wurden, sowie durch Unterstützung des Landkreises Bad Dürkheim als unserem Schulträger. So wurden folgende Maßnahmen durchgeführt:

  • Erhöhung der Internetgeschwindigkeit von 16 auf 100 MBit
  • Verlegung von Glasfaserkabeln innerhalb unseres Schulgebäudes
  • Ersatz unserer alten 8 Access Points durch ein modernes Controller-basiertes Mesh-System bestehend aus ca. 100 Access Points

Die technische Infrastruktur (schnelles Internet und flächendeckendes WLAN) war nun da, um überall im Schulgebäude die HPI Schul-Cloud und auch andere webbasierte Medien nutzen zu können.
In den folgenden Monaten arbeitete ich bei zahlreichen Treffen in ganz Deutschland mit Kollegen /-innen der anderen Pilotschulen und Softwareentwicklern des HPIs an der HPI Schul-Cloud weiter. So konnten auch meine Erfahrungen beim Einsatz der HPI Schul-Cloud im Unterricht in den weiteren Softwareentwicklungsprozess miteinbezogen werden.
Unsere Bemühungen im Bereich der Digitalisierung wurden schließlich durch den Branchenverband BITKOM mit dem Titel „Smart School“ honoriert.

Seitdem wurde unsere IT-Ausstattung um einen iPad-Koffer ergänzt, ein weiterer wird in den nächsten Monaten folgen. Mithilfe von Apple TVs können unsere Smartboards sowohl von den Lehrern/-innen als auch den Schülern/-innen genutzt werden, um Medieninhalte von jedem beliebigen Endgerät zu übertragen und somit für alle sichtbar zu machen.

Einsatz von digitalen Medien: eine persönliche Einschätzung des Potentials für den Unterricht

Als Lehrer stehe ich dem Einsatz von digitalen Medien im Unterricht auch kritisch gegenüber. Es verhält sich dabei bei mir wie mit dem Einsatz von Methoden im Unterricht generell: Welche haben einen „Mehrwert“ für die Schüler/-innen gebracht und welche nicht? Und stehen die Ergebnisse noch in einem „gesunden“ Verhältnis zur eingesetzten Zeit? Schließlich müssen Lehrpläne eingehalten und Leistungsüberprüfungen geschrieben werden.

Ich nutze in meinem naturwissenschaftlichen Unterricht gerne die Möglichkeiten, die iPads liefern: Die intuitive Bedienung, die leichte Administrierung der Geräte und die pädagogische Oberfläche sprechen für den Einsatz der Geräte im Unterricht. So lassen sich beispielsweise den Schülern/-innen nur die für das Arbeiten im Unterricht benötigten Apps zuweisen. Es besteht also keine Gefahr, dass die Schüler/-innen durch Kurznachrichten oder E-Mails abgelenkt werden.
Darüber hinaus verfügen sie, im Vergleich zu Laptops, über Kamera, Mikrofon und verschiedene Sensoren, die die Geräte zu echten „Allroundern“ machen. Der umfangreiche App-Store biete tausende für den Unterricht geeignete Apps an.
Worin kann ich nun als Lehrer mithilfe digitaler Medien einen Zugewinn für den Lernprozess meiner Schüler/-innen erzielen? Ich habe dabei bisher fünf Aspekte besonders gut beobachten können:

  1. Neue Möglichkeiten in der Reorganisation bzw. Sichrung von Gelerntem: Präsentationen, Protokolle, Plakate, Podcasts und Lernvideos erstellen
  2. Kooperatives und kollaboratives Arbeiten: einfacheres Teilen von Unterrichtsmaterialien unter und effektiveres Zusammenarbeiten zwischen den Schülern/-innen
  3. Binnendifferenzierung / Heterogenität: unterschiedliche Lernniveaus und verschiedene Lerntypen können z.B. mit von mir erstellten Materialien in der HPI Schul-Cloud einfacher berücksichtigt werden
  4. Gamification: individuell von mir erstellte Quizze und Lernspiele vertiefen das Gelernte, weil man motiviert besser lernt
  5. Medienpädagogik als Thema in jedem Fach: kritische Betrachtung von Internetquellen, Datenschutz, Jugendmedienschutz, Urheberrecht

Unterricht wird durch die Nutzung digitaler Medien nicht automatisch besser, deswegen bedarf es hier einer steten Evaluation, genau wie bei jedem Einsatz eines Arbeitsblattes. Digitale Medien setze ich dosiert und wohlüberlegt ein. In vielen Unterrichtsstunden haben meine Schüler/-innen davon im Lernprozess profitiert. Ich denke, dass wir als Lehrer/-innen allerdings hier erst an der Oberfläche der Möglichkeiten kratzen, deswegen bleiben die Entwicklungen in diesem Bereich besonders spannend und motivieren auch mich als Lehrkraft ungemein.

Vorteile bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung

Das Arbeiten mit digitalen Medien bietet auch den Lehrkräften ganz praktische Vorteile bei der Unterrichtsvorbereitung und –durchführung. Es kann den Lehrer / die Lehrerin entlasten. Bereits vorhandene Materialien in Papierform können mit nur einem Click digitalisiert und auf einem Smartphone / Tablet / Laptop ständig mitgeführt werden. So hat man stets sein gesamtes Material (inklusive der digitalen Schulbücher) griffbereit dabei und kann es per Apple TV für alle sichtbar und bearbeitbar machen. Über die HPI Schul-Cloud, aber auch über andere technische Möglichkeiten, können Inhalte schnell an die Endgeräte der Schüler verteilt werden – das Anstehen am Kopierer und Tragen schwerer Lehrertaschen gehören damit der Vergangenheit an!

Nachhaltige Einbindung des Kollegiums

In meinem Kollegium schätze ich die Einstellung des Einsatzes neuer Medien gegenüber folgendermaßen ein: Ein Drittel ist bereit dazu und tut es schon, ein weiteres Drittel ist zögerlich und wartet die Erfahrungen des ersten Drittels ab, während ein weiteres Drittel die neuen Medien im Unterricht aus unterschiedlichen Gründen komplett ablehnt. Dieses Drittel werde ich auch nicht mehr dafür gewinnen können.
Ich denke, dass viele Kollegen/-innen die Mehrbelastung der Einarbeitung in die Nutzung neuer Medien scheuen. Dabei ist diese kaum gegeben. Ich beobachte, dass die meisten Kollegen/-innen in den Pausen im Lehrerzimmer von Smartphone zu Smartphone Fotos austauschen, Kurznachrichten schreiben oder sonstige Apps nutzen, um sich zu informieren oder um zu kommunizieren. Wer mit Apps auf seinem Handy umgehen kann, kann auch Apps im Unterricht einsetzen, da diese einen niedrigschwelligen Einstieg bieten: Man findet sich schnell zurecht.
Um dies zu vermitteln, biete ich einmal im Monat einen 30minütigen Kurz-Workshop zu unterschiedlichen Themen rund um das Thema Digitalisierung an. Wer lernen möchte, wie man mit Schülern/-innen ein Erklärvideo erstellen kann, wie man die pädagogische Oberfläche des iPads sinnvoll nutzt oder wie man seine analogen Materialien digitalisiert, kann einfach spontan teilnehmen. Ein kompletter Studientag zum Thema Digitalisierung wird im nächsten Schuljahr stattfinden.

Konzept für digitalgestützte Bildung

Die „obligatorische“ Arbeitsgruppe haben wir natürlich auch gegründet, einfach um uns die Arbeit aufzuteilen, die bei der Erstellung eines Konzeptes für digitalgestützte Bildung entsteht.
Dabei sind wir nicht auf uns allein gestellt. Wir sind eine „TU-Net-Schule“ geworden, indem wir im Dezember 2017 eine Partnerschaft mit der TU Kaiserslautern eingegangen sind. Von dieser Kooperation versprechen wir uns viel Input, da besonders in den dortigen fachdidaktischen Instituten der Naturwissenschaften intensiv am Thema Digitalisierung und Unterricht geforscht wird. Erste Einbindungen von Forschungsergebnissen in unseren Unterricht haben bereits stattgefunden.
Neben fachdidaktischen Aspekten muss auch die Medienpädagogik stärker in den Fokus gerückt werden. Themen wie Datenschutz, Jugendmedienschutz und Urheberrecht werden zwar am Leininger-Gymnasium bereits in der Klassenstufe 6 im Fach ITG (=Informationstechnische Grundbildung) behandelt, sollten aber durch weiterführende Bausteine in der Mittelstufe ergänzt und wiederholt werden. Insbesonders der kritische Umgang mit Informationen aus dem Internet sollte hierbei verstärkt aufgegriffen werden.

Nächste Schritte

Neben dem weiteren technischen Ausbau unserer IT-Infrastruktur (z.B. Apple TVs an jedem Smartboard bzw. Beamer) gilt es, wie bereits erwähnt, unser Konzept für eine digitalgestützte Bildung weiter auszubauen.
Es gibt bereits Schulen, die eigene Tablet-Klassen eingerichtet haben. Auch eine entsprechende Pilotklasse könnte ich mir am Leininger-Gymnasium vorstellen, allerdings bringt die Durchführung eines solchen Projektes zahlreiche finanzielle, datenschutzrechtliche und personelle Hürden mit sich.
Das Thema „Bring Your Own Device“ (BYOD), also die Nutzung der Smartphones der Schüler/-innen zu Unterrichtszwecken, wird in den Medien diskutiert. BYOD bringt folgende Vorteile mit sich:

  • Smartphones sind heutzutage extrem leistungsstark und schneller als so mancher Schul-Computer
  • Den Schülern/-innen vertraute Endgeräte werden benutzt
  • Die Endgeräte werden von den Schülern/-innen gewartet/upgedatet
  • Die Schüler/-innen können überall nahtlos am im Unterricht gestarteten Projekten weiterarbeiten

Auch hier gibt es Schulen, die BYOD-Lösungen realisiert haben, indem die Schüler/-innen permanent ein Schüler-WLAN nutzen können. Dieses Modell halte ich an unserer Schule für wenig sinnvoll, da es eine sehr leistungsfähige Infrastruktur voraussetzt. Um unsere IT-Ressourcen zu entlasten und unseren Schülern/-innen nur begrenzt im Unterricht die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Schüler-WLAN zu verbinden, sondiere ich im Moment verschiedene Lösungen zusammen mit Hewlett-Packard.
Von einer rein „digitalunterstützten Schule“ sind wir noch weit entfernt, wir haben gerade erst damit begonnen, die benötigte IT-Infrastruktur auszubauen, und erproben noch die technischen Möglichkeiten für Unterrichtsvorbereitung und –durchführung. Auch fachdidaktisch sind wir Pioniere im Hinblick auf Digitalisierung – wir testen Inhalte und Methoden und evaluieren diese. Manches bringt einen „Mehrwert“ für den Unterricht und wird weiter verfolgt und weiter ausgearbeitet, Anderes wird wieder verworfen.
Wir haben uns im vergangenen Jahr oft als Einzelkämpfer gefühlt. Zwar gibt es zahlreiche fachliche Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema Digitalisierung, aber ein Konzept zum Aufbau einer entsprechenden IT-Infrastruktur mussten wir erst mühsam selbst entwickeln.

Fazit

Das eine Jahr seit dem Start des Themas Digitalisierung am Leininger-Gymnasium ist mir wie ein Überschallflug vorgekommen: Die IT-Infrastruktur konnte nach zahlreichen Gesprächen mit möglichen Sponsoren ausgebaut und im Unterricht ausprobiert werden. Gleichzeitig mussten interne Fortbildungsangebote für die Kollegen /-innen geschaffen werden. Das medienpädagogische Konzept musste erweitert und fachdidaktisch entsprechend versierte Partner an der TU Kaiserslautern mussten gewonnen werden. Hinzu kam für mich noch die Aufgabe, in vielen Arbeitstreffen, über ganz Deutschland verteilt, am Entstehen der HPI Schul-Cloud mitzuwirken. Ich denke aber, dass sich meine Anstrengungen für das Kollegium und Schüler/-innen auszahlen werden.

Hinweise der Redaktion
Bildnachweis Titel: HPI/K. Herschelmann
Bildnachweis im Text: Leininger Gymnasium/Peter Graff
*Sprachlicher Hinweis: Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird an dieser Stelle nur die männliche Form verwendet.