Im Pilotprojekt sind sie die „alten Hasen“: Die teilnehmenden Schulen aus dem MINT-EC-Netzwerk sammeln schon seit 2017 gemeinsam mit den Projektpartnern Erfahrungen im Einsatz der HPI Schul-Cloud und entwickeln die Lernumgebung mit ihren Rückmeldungen aktiv mit. Regelmäßig vernetzen sich die Pionier:innen auf Treffen, um sich überregional auszutauschen. Der Cloud Call am 10. Juni gab den Teilnehmenden nun eine Chance, ihre Eindrücke und Erkenntnisse aus der Corona-Krise miteinander zu teilen und gleichzeitig die Videokonferenz-Software Big Blue Button noch besser kennenzulernen.
Registrierung schneller als gedacht
Das ad hoc-Onboarding der gesamten Schüler:innen und Lehrkräfte war für alle Cloud Call- Beteiligten eine große Herausforderung. Dabei ging es erst einmal darum, alle Nutzer:innen in die HPI Schul-Cloud zu holen und im gleichen Zuge Fortbildungsarbeit zu leisten. Nach ca. einer Woche waren an den meisten Schulen alle Lehrkräfte und Schüler:innen in der Cloud. Schneller als gedacht!
Hoher Fortbildungsbedarf und lohnender Aufwand im Kollegium
Um die HPI Schul-Cloud kennenzulernen, gab es unterschiedliche Herangehensweisen, zum Beispiel
… eine Rallye in der HPI Schul-Cloud, in der man die Funktionen der HPI Schul-Cloud Schritt für Schritt durchläuft
… Mikrofortbildungen für das Kollegium.
…Videosprechstunden in der HPI Schul-Cloud für Kolleg:innen.
… intensive Telefonate zwischen digital affinen und digital nicht-affinen Kolleg:innen.
Die meisten Kolleg:innen, auch jene, die vorher nicht von der HPI Schul-Cloud oder digitalen Tools überzeugt waren oder diese nicht einsetzten, sind jetzt positiv überrascht. Der Sprung ins kalte Wasser hat sich für viele Schulen gelohnt. Es hat sich jedoch auch gezeigt, wie viel Fortbildungsarbeit noch aufzuholen ist.
Kommunikation und Kollaboration im Hybrid- und Fernunterricht
Die Beteiligten waren sich einig: Der Unterricht mit der HPI Schul-Cloud von zu Hause aus ist natürlich nicht mit dem Präsenzunterricht vergleichbar. Es gibt unterschiedliche Strategien, um ihn mit der HPI Schul-Cloud trotzdem erfolgreich zu meistern, aber natürlich auch Herausforderungen.
Digitaler Unterricht weniger frontal
Viele Schüler:innen bevorzugen im momentanen Hybridunterricht den digitalen Unterricht über die HPI Schul-Cloud, weil die Atmosphäre angenehmer ist und Hygienevorschriften eingehalten werden. Sie erleben den Präsenzunterricht aufgrund der einzuhaltenden Vorschriften als zunehmend frontaler, den digitalen Unterricht hingegen interaktiver und kollaborativer.
Mit Fotos in der HPI Schul-Cloud aktivieren und dokumentieren
Für Interaktion und Gruppenaktivierung auch mit Fotos zu arbeiten und die Fotos anderer zu diskutieren, hat sich im Hybridunterricht bewährt. Basierend auf selbsterstellten Rätseln mit Fotos kann auch in der Schule weiterdiskutiert werden, was andere Schüler:innen von zu Hause erarbeitet haben. Im reinen Fernunterricht dokumentieren viele Schüler:innen Ergebnisse und Abgaben ebenfalls mit Fotos.
Zeitversetztes Arbeiten für unterschiedliche Arbeitsrhythmen
Kollaboratives Arbeiten funktioniert bei älteren Schüler:innen sehr gut. Insbesondere das zeitunabhängige Abrufen von Aufgaben und die Arbeit mit dem Etherpad haben sich positiv auf die Lernprozesse ausgewirkt. Einige Schüler:innen arbeiten eben gern auch nachts, es gibt unterschiedliche Arbeitsrhythmen. Auf Schülerfragen einzugehen herausfordernd, weil nicht alle gleichen Rhythmus haben. Bewährt haben sich Sprechstunden über Big Blue Button oder im Teams-Chat.
Digital-analoger Projektunterricht mit Erklärvideos und Experimenten
Im digitalen Unterricht ist Zeit für Projektarbeit. So sind im naturwissenschaftlichen Unterricht auch kleine Experimente möglich, die die Schüler:innen Zuhause durchführen. Erklärvideos zu drehen, macht den Schüler:innen besonders viel Spaß, allerdings muss man dafür sehr viel Zeit einplanen und die Aufgabenstellungen präzise formulieren. So lernen die Schüler:innen auch Medienkompetenzen, zum Beispiel den Umgang mit Schnittsoftware oder Kamera.
Neue Kommunikationsregeln in Videokonferenzen
Die Interaktion über Big Blue Button klappt generell gut. Jüngere Schüler:innen reden allerdings in den Videokonferenzen mit Big Blue Button oft alle durcheinander, Ältere sind zu still und es fehlt die Kontrolle über deren Teilnahme. Feste Videosprechstunden anzubieten, hat sich bewährt. Gemeinsame Gesprächsregeln festzulegen, zum Beispiel, das Mikro nur für eigene Beiträge anzustellen, ist wichtig.
Benachteiligung von Schüler:innengruppen durch fehlende Infrastruktur
In vielen Regionen haben Schüler:innen teilweise schlechte Internetverbindungen, keine Endgeräte oder es gibt Datenschutzbedenken seitens der Eltern. Hier wird zusätzlich auch ganz analog gearbeitet, um diese Schüler:innen bestmöglich zu unterstützen. Bei einigen fehlt nun vor allem Interaktion, weil das digitale Arbeiten durch die fehlende Infrastruktur nicht gelingt. Andere Schulen haben das Glück und können Endgeräte entleihen.
Der Lernprozess wird anders
Digitales Arbeiten ist ganz anders als der Präsenzunterricht. Es erfordert Selbstdisziplin und -organisation. Die Pilotschullehrkräfte stehen dem mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Ältere Schüler:innen klar im Vorteil in der Selbstorganisation
In den unteren Stufen waren die Schüler:innen oft überfordert, selbstständig zu arbeiten, manche Eltern hatten keine Zeit für Home Schooling und dadurch ist wenig des Stoffes vermittelt worden. In den oberen Stufen hat sich gezeigt, dass die Schüler*innen den Lernprozess viel bewusster selbst steuern, zum Beispiel auch dadurch, dass Abgabezeiten flexibler sind. Weniger disziplinierte oder nicht stark intrinsisch motivierte Schüler:innen werden die Konsequenzen im nächsten Schuljahr leider jedoch spüren, meinen einige Beteiligte des Cloud Calls.
Das Fazit kurz vor den Sommerferien: Sammeln, konzipieren und erholen!
Viele Pilotschullehrkräfte sehnen sich natürlich nach einer Auszeit nach diesen turbulenten Wochen. Das Schlimmste scheint aber für viele überstanden zu sein und die meisten blicken positiv auf die digitale Umstellung an ihrer Schule zurück und glauben, dass „nach Corona“ bestimmt noch etwas davon bleibt und weitergedacht werden kann. Insbesondere Fortbildungen für Lehrkräfte und Schüler:innen werden ein großes Thema bleiben. In den Sommerferien ist jetzt endlich Zeit zum Sortieren, zum Konzipieren und natürlich auch zum (Cloud-)Abschalten!
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