Die Coronakrise kennt keine Grenzen. Wie in Deutschland mussten Schulen weltweit Lösungen finden, Unterricht unter Pandemiebedingungen mit digitalen Mitteln zu organisieren. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), die 140 Deutsche Auslandsschulen betreut, bietet seit Frühjahr 2020 mit der HPI Schul-Cloud International Unterstützung. Die digitale Lernumgebung, die das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam entwickelt, ist bereits an über 50 Deutschen Auslandsschulen rund um den Globus im Einsatz – und mit der German International School Sydney als erste australische Schule nun auf allen fünf Kontinenten.
Schneller noch als in Australien war man in Äthiopien. Die Deutsche Botschaftsschule Addis Abeba arbeitet bereits seit Sommer 2020 mit der HPI Schul-Cloud International. In der ersten Phase der Pandemie hatte Stefan Knobloch, Lehrer für Mathematik und Informatik, noch improvisiert und in nur drei Tagen eine Homepage erstellt, über die Aufgaben und Dateien hochgeladen werden konnten. Als dann das Angebot der ZfA kam, auf die HPI Schul-Cloud International umzustellen, nutzte Knobloch die Sommerferien, um alle Schüler:innen-Accounts anzulegen sowie Teams, Fachkonferenzen und das virtuelle Lehrerzimmer einzurichten, sodass in der ersten Schulwoche alle arbeitsfähig waren. Dank der übersichtlichen Struktur hätten sich alle schnell zurechtgefunden.
„Ein großer Vorteil ist, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Accounts haben und – einmal eingeloggt – alle Materialien, die sie für den Unterricht benötigen, an einer Stelle vorfinden. Zur Videokonferenz kommen sie direkt über die Kurse. Mails mit Links und Passwörter müssen nicht mehr extra verschickt werden“, so Knobloch. Zu schätzen weiß er auch den Lern-Store, der mittlerweile viel hilfreiches Lernmaterial biete, sowie den Austausch mit den Entwicklern des HPI-Team, die bemüht seien, auf Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. Für Schuleiter Dr. Martin Nutz steht der Gedanke der länder- und schulübergreifenden Vernetzung im Vordergrund: „Wir in Addis Abeba sehen die HPI Schul-Cloud als eine hervorragende Plattform nicht nur für die schulinterne Arbeit, sondern auch für den Austausch mit Lehrkräften und Schülern anderer Schulen."
Wissensaustausch zwischen Istanbul und Buenos Aires
Der Ansatz, Wissen digital zu teilen, war auch für Heike Toledo, Leiterin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, einer der ausschlaggebenden Gründe für die HPI Schul-Cloud International, die in deutscher und englischer Sprache sowie in Kürze auch in Spanisch verfügbar ist. Noch bevor Corona weltweit Schlagzeilen machte, stand für sie fest: „Wir brauchen ein digitales datenschutzkonformes Angebot für Schulen, das die Unterrichtsstruktur abbildet und ermöglicht, Lernen einerseits zu individualisieren, anderseits stärker zu vernetzen.“ Seit April vergangenen Jahres stellt die ZfA – gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amtes – deshalb bereits mehr als 50 Deutschen Auslandsschulen die HPI Schul-Cloud International unentgeltlich zur Verfügung. Eine Ausweitung auf 100 Schulen ist geplant.
Heike Toledo weiß aber auch: „Damit das Potenzial einer solchen Plattform optimal ausgeschöpft wird, braucht es eine engagierte Schulleitung, die ein Verständnis dafür schafft, welche Möglichkeiten in einer solchen Infrastruktur stecken. Der Wille, sich darauf einzulassen, ist entscheidend, und muss von der ganzen Schule getragen werden.“ Umso wichtiger sei es, die Lehrkräfte mitzunehmen, entsprechend fortzubilden und Vorteile aufzuzeigen, etwa die der Arbeitsteilung – nach dem Motto: Was in Istanbul funktioniert, klappt auch in Buenos Aires. Manchmal gebe es an einer Schule beispielsweise nur einen Geschichtslehrer. Warum solle dieser nicht von den Erfahrungen und Materialien seiner Kollegen am anderen Ende der Welt profitieren? Gerade, da in Deutschen Auslandsschulen das Unterrichtsmaterial und die Methodik an die Herausforderungen eines deutschsprachigen Fachunterrichts für die größtenteils nichtmuttersprachlichen Schülerinnen und Schüler aufgearbeitet werden muss.
Auch für die Schüler sei die HPI Schul-Cloud International als weltweit nutzbare Lernumgebung ein Zugewinn. Kollaboratives Arbeiten an internationalen Projekten sei eine gute Vorbereitung auf die Zukunft und die Arbeit in weltweit vernetzten Teams. Heike Toledo: „Eine digitale Lernplattform garantiert zwar noch kein besseres Abitur, aber sie bereitet auf das Leben in einer digitalen und international vernetzten Welt vor.“
Professor Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts und Leiter des Projekts HPI Schul-Cloud: „Die HPI Schul-Cloud International ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch die Nutzung einer einheitlichen Infrastruktur wichtige Synergien geschaffen werden können – länderübergreifend und sogar weltweit. Sie könnte eine Blaupause für Deutschland sein: eine integrative, offene Bildungsplattform, die abgestimmt auf den individuellen Bedarf eines Bundeslandes ausgestaltet werden kann.“
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Bildnachweise: © Stefan Knobloch