Der Unterricht an deutschen Schulen ist durchzogen von einer Vielzahl an Methoden, Materialien und Medien. Die Lehrkraft ist dabei momentan das wohl wichtigste Medium im Vermittlungsprozess von Wissen und Kompetenzen. Dabei sind Personen als Medium nicht allen auf gleiche Weise gut zugänglich.
Manch einem fehlt die nötige Artikulationsfähigkeit, die sich ein hörgeschädigtes Kind vielleicht wünschen würde. Andere drucken ihr Unterrichtsmaterial in Schriftgröße 10, einfach damit mehr auf die Seite passt - problematisch für jeden, der die Brille gerade nicht dabei hat. Dazu sind unstrukturierte Ausdrucksweisen, Sarkasmus, Ironie und fehlendes Einfühlungsvermögen seitens der Lehrkräfte auch vorstellbar. Emotionen im Klassenraum sind durchaus wünschenswert, jedoch kann nicht jeder gleichermaßen gut mit diesen umgehen. Aufgrund eventuell fehlender Kompetenzen der Lehrkräfte stehen Schüler im aktuellen Unterrichtsmodell vor einer schwierigen Aufgabe und laufen unter Umständen auch Gefahr, Großteile des Unterrichts zu verpassen. Die kognitive und emotionale Vielschichtigkeit der Schüler (und auch Lehrer!) macht eine Auseinandersetzung mit der Inklusion relevanter als je zuvor. Moderne webbasierte Lösungen, wie wir sie auch in der HPI Schul-Cloud nutzen, können den Unterricht hinsichtlich Individualisierung und Differenzierung auf ein ganz neues Level heben.
Ein kurzer Blick auf die Ausgangslage: Die Begriffe Integration und Inklusion werden gesellschaftlich oft synonym verwendet, weisen jedoch durchaus unterschiedliche Bedeutungsebenen auf. Der Inklusionsbegriff ruft besonders durch die großen Umsetzungsschwierigkeiten in der Vergangenheit bei vielen durchaus negative Assoziationen hervor. Schauen wir uns also beide Begriffe einmal kurz an...
Die Integration ermöglicht allen Kindern, ganz gleich ob mit Förderschwerpunkt oder ohne, die Teilnahme am gesamten schulischen Geschehen. Die Integration sieht einen gemeinsamen Unterricht aller vor, welcher durch spezielle Handlungen und Regelungen, wie z.B. individuell zugeschnittene Fördermaßnahmen, gewährleistet werden soll. Die Schulen stehen in der Pflicht, je nach Art der Beeinträchtigung des Kindes, hierfür benötigte Mittel bereit zu stellen, um eine Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen.
Die Inklusion hingegen, versucht alle Schüler als Individuen zu betrachten, ohne sie kategorisch nach Fähigkeiten und Bedürfnissen zu gruppieren. Nicht nur Kinder mit einem Förderschwerpunkt oder sonstigen Beeinträchtigungen haben das Sonderrecht auf individuelle Förderung, sondern alle Kinder sollen jederzeit individuell gefördert werden. Somit bedarf die Inklusion erstmals die grundlegende Anpassung bisheriger schulischer sowie personeller Strukturen. Unterricht muss auf eine Art und Weise modifiziert werden, dass dieser für alle Schüler gleichsam aufgreifbar ist, und dass zu keinem Zeitpunkt eine Ausgrenzung stattfindet.
Der letzte Punkt ist besonders herausfordernd. Kann tatsächlich jemals gewährleistet werden, dass niemand benachteiligt oder ausgegrenzt wird? Letztendlich muss man sich wohl eingestehen, dass es keine perfekten Methoden oder Materialien gibt. Dafür sind wir alle einfach zu verschieden.
Mit den technischen Errungenschaften unserer Zeit kommen auch immer mehr Möglichkeiten ans Licht, Unterricht innovativ und modern zu gestalten. Natürlich entspricht auch hier nicht jede Neuerung den Anforderungen unserer Schüler, jedoch können wir davon ausgehen, dass ein stetig wachsendes Angebot ihnen zugutekommt. In der HPI Schul-Cloud setzen wir auf eine webbasierte Organisation von Schule. Doch wie hilft das unseren Schülern und Lehrern beziehungsweise dem Unterricht? In der Didaktik geht man davon aus, dass es verschiedene Lerntypen gibt und dass jeder auf eine ganz individuelle Art und Weise die besten Lernerfolge verzeichnet. So hat nicht jeder Schüler eine positive Beziehung zu Büchern und Arbeitsblättern und manch anderer kommt nicht mit der Akustik im Klassenraum klar. Jeder Sprach- oder Musiklehrer kennt diese Situation selbst nur zu gut - es steht Hörverstehen auf dem Plan und alles was dafür oftmals zur Verfügung steht, ist ein kleiner CD-Spieler. Wer hierbei in der letzten Reihe sitzt, hat schlechte Karten, die feinen Unterschiede in Betonung und Stimmlage zu hören. Und welche Schule ist schon dazu bereit, eine dicke Sound-Anlage in jedem Raum zu installieren?
Die HPI Schul-Cloud bietet mir als Lehrkraft die Möglichkeit, Audiodateien in hoher Qualität hochzuladen und den Schülern in meinem Kurs mobil zugänglich zu machen. Mit dem Handy, oder den mobilen Endgeräten der Schule kann sich dann jeder individuell mit den Dateien beschäftigen. Dabei können Lautstärke und die Art und Weise der Hilfsmittel (z.B. Kopfhörer) selbst gewählt werden. Das Gleiche gilt auch für Bild- und Videomaterial. Wenn vielerorts noch Projektoren oder auch moderne Smartboards verwendet werden, welche die Bilder - je nach Lichtverhältnissen - oft nur in fragwürdiger Qualität darstellen, erscheinen individuell anpassbare Lösungen wesentlich flexibler. So spart man sich auch den nervigen Paparazzi-Effekt, der im Unterricht immer dann auftritt, wenn wir den Schülern gut gelungene Tafelbilder oder Übersichten präsentieren. Heute schreibt ja kaum noch einer Tafelbilder vollständig ab - ein Foto mit dem Handy geht doch viel schneller. Hier gibt es sicherlich einige Trends, die für viele sehr gewöhnungsbedürftig sind. Eine kleine Anekdote dazu: Als ich als junger Lehrer vor einigen Jahren einmal eine Schülerin auf ihre Abwesenheit und den dadurch verpassten Stoff ansprach, zog sie daraufhin ihr Smartphone aus der Tasche und zeigte das abfotografierte Tafelbild, welches sie sich von ihrer Freundin schicken ließ. Sie meinte, sie hätte sich schon über den Stoff informiert und in dem Moment wurde mir bewusst, dass mein Konzept von Tafel und Klassenraum dringend aktualisiert werden muss.
Es ist genial zu sehen, was heute alles möglich ist. Mein Tafelbild bekommt plötzlich Beine und begleitet mich - sofern ich das möchte - in jede Klasse! In der HPI Schul-Cloud kann ich beispielsweise Übersichten und Tafelbilder erstellen und diese auch in andere Kurse, Klassen und Workshops exportieren. Weiterführend können diese dann nicht nur im Unterricht verwendet werden, jedoch auch ganz bequem von zu Hause, oder von unterwegs - ganz so wie es jeder braucht und mag. Und hierbei sehe ich den großen Mehrwert für die Schüler und ihre individuellen Anforderungen an den Unterricht. Jeder kann die vorhandenen Materialien ganz nach eigener Präferenz allein oder auch in Gemeinschaft anschauen, bearbeiten und dabei eventuell benötigte Hilfsmittel wie Kopfhörer, Betrachtungshilfen etc. nutzen. Und machen wir uns nichts vor: wie auch viele Erwachsene können auch so manche Schüler nicht effizient in einem Raum mit über 20 Personen arbeiten. Für diese besteht nun die Möglichkeit, sich Dinge wie Tafelbild, Videomaterial, oder Aufgaben zum Hörverstehen ganz nach ihren Bedürfnissen räumlich und zeitlich zurechtzulegen. Wir als Lehrkräfte müssen uns von der klassischen Vorstellung von Unterricht, in der alle gleichsam brav und ruhig in einer Reihe sitzen, verabschieden und einen großen Schritt in Richtung unserer Schüler gehen. Denn sie sind schon längst in der Digitalisierung angekommen. Die Frage ist und bleibt, ob wir dazu bereit sind, ihnen zu folgen.
Hinweise der Redaktion
Bildnachweise: HPI/O. Puck
Sprachlicher Hinweis: Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird an dieser Stelle nur die männliche Form verwendet.