Unser durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt läuft noch bis zum 31. Juli 2021. Für unser Projekt wird dies eine spannende und intensive Zeit. Wir glauben, dass wir in dieser Zeit Grundlagen für die Etablierung einer Cloud-Architektur im deutschen Schulwesen mit legen können.
Doch nicht nur für uns wird es eine intensive Zeit. Sobald sich Bund und Länder geeinigt haben, auf welchem grundgesetzlichen Weg sie den seit langem in Verhandlung befindlichen DigitalPakt.Schule umsetzen wollen, wird in ganz Deutschland die Entwicklung von Strukturen zum zeitgemäßen Lernen einen unglaublichen Schub erhalten. Wir möchten in diesem Kontext unseren Teil dazu beitragen, dass in diesem Prozess nachhaltige Strukturen entstehen, die es erlauben, dass die HPI Schul-Cloud in möglichst vielen deutschen Schulen genutzt werden kann.
Die HPI Schul-Cloud entsteht in einem Umfeld verschiedenster Aktivitäten der Bundesländer. Von der vermutlich bald beschlossenen länderübergreifenden Entwicklung eines Vermittlungsinstituts digitale Schule durch das ländereigene Institut FWU, über die Entwicklung hoheitlicher ID-Management-Systeme bis hin zur länderübergreifenden Nutzung von Schulverwaltungsprogrammen wie webbSchule oder LUSD: rund um die HPI Schul-Cloud existiert kein Vakuum, sondern eine sich rasant wandelnde Umwelt.
Wir haben die HPI Schul-Cloud so entwickelt, dass sie bestens in eine solche dezentrale Struktur einfügt und Kern des pädagogischen Teils einer solchen ländereigenen oder besser länderübergreifenden Architektur sein kann. Insofern liegt unser Fokus neben der grundsätzlichen Weiterentwicklung der HPI Schul-Cloud und des enthaltenen LernStore darauf, gemeinsam mit einzelnen oder mehreren Bundesländern Beispielarchitekturen zu entwickeln. In Niedersachsen haben wir exemplarisch gezeigt, wie dies gehen kann. Das noch bis 2020 laufende Projekt Niedersächsische Bildungscloud wird im Anschluss in einen Regelbetrieb übergehen müssen und hoffentlich das erste Beispiel für einen landesweiten Roll-out der HPI Schul-Cloud sein. Das Land Brandenburg hat in seiner Digitalstrategie die Schaffung einer Digitalen Bildungsplattform HPI Schul-Cloud auf Basis der HPI Schul-Cloud angekündigt. Wir hoffen, dass es nicht bei diesen zwei Bundesländern bleiben wird.
Gleichzeitig wollen wir im Kern unseres Projekts mit den 316 Schulen des MINT-EC zeigen, dass die Nutzung der HPI Schul-Cloud nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe zunimmt. Zum Schuljahr 2017/2018 starteten wir mit 27 Schulen in die Pilotphase der HPI Schul-Cloud. Innerhalb von eineinhalb Jahren sind daraus fast 100 Schulen aus dem MINT-EC-Netzwerk geworden. Neben dieser externen Skalierung, das heißt dem Ausbau der Anzahl der Pilotschulen, sehen wir auch eine vertiefte Nutzung in unseren ersten Pilotschulen, an denen immer mehr Lehrer*innen in mehr Klassen die HPI Schul-Cloud nutzen. Diese schulinterne Skalierung ist mindestens genauso wichtig, wie die Verbreitung im MINT-EC-Netzwerk an sich. Hier zeigt sich deutlich, dass unser Projekt mehr ist als nur die Entwicklung eines Softwareprodukts. Unser Team aus Pädagog*innen und Bildungswissenschaftler*innen will in den kommenden Jahren gemeinsam mit den Kolleg*innen des MINT-EC, den Pilotschulen und im Rahmen unserer Bildungswissenschaftlichen Begleitung weitere Konzepte für die schulinterne Skalierung entwickeln.
Nicht zuletzt sehen wir bei der Entwicklung des LernStores einen langen Weg, den es aber auch zu gehen lohnt. Dies betrifft die technologische Weiterentwicklung, vor allem aber auch eine gesellschaftliche und politische Weiterentwicklung. Bis heute ist der sog. Vormittagsmarkt (Lernmaterial, welches in Schulen genutzt wird) und der sog. Nachmittagsmarkt (von Eltern beschafftes Material zum Selbstlernen) weitgehend voneinander getrennt. Dominiert wird das in Schulen verwendete Material bis heute von klassischen Schulbüchern, egal ob gedruckt oder als Digitalisat. Das Spannungsverhältnis zwischen weitgehend digitalisierten und weniger digitalisierten Branchen wird hier deutlich. Die Entwicklung, welche die Musikbranche ausgehend von der Disruption in den 2000er Jahren – erst durch illegales Filesharing und dann durch das Aufkommen von Musik-Streaming-Diensten – nahm, liegt in großen Teilen noch vor den deutschen Schulbuchverlagen.
Aus dem Austausch mit den Nutzer*innen der HPI Schul-Cloud wissen wir, dass diese eine andere Vorstellung von der Nutzung von Lernmaterialien haben, als sie heute in Deutschland verwirklicht ist. Das Konzept des LernStore als eines nicht mehr in Vormittags und Nachmittagsmarkt gespaltenen Marktplatzes, der Zugriff auf ein Angebot von granular heruntergebrochenen Lernmaterialien, verknüpft mit dem jeweiligen Curriculum ihres Bundeslandes, erlaubt, entspricht den Nutzererwartungen sehr vielstärker. In dieser Vorstellung sind es nicht mehr zwangläufig die Verlage, die mit ihren Schulbüchern ein Curriculum in eine pädagogisch und didaktisch sinnvolle Abfolge von Lernmaterialien übersetzen. Vielmehr würden die Nutzer*innen ermächtigt, Inhalte zu kombinieren, zu ergänzen und für ihren Unterricht anzupassen. Auch für Verlage würde dies neue Betätigungsfelder abseits des digitalisierten Schulbuchs eröffnen. Ob dieser Zustand schlussendlich erreicht werden kann und welche Abrechnungsmodalitäten und Budgettöpfe es hierfür geben wird, können und wollen wir nicht determinieren. Wir glauben aber, dass unser Projekt hierbei eine nicht unwichtige Rolle als Katalysator spielen kann.
Dieser Text ist ein erster Auszug aus dem zweiten Technischen Bericht zur HPI Schul-Cloud, der im Februar veröffentlich werden wird. Dort findet sich dann auch eine Beschreibung unserer technologischen Ziele.
Bildnachweise: HPI/ K.Herschelmann; HPI/O. Puck