Teach the teachers

Die zum Teil während des Tagesworkshops „Design Thinking“ am 18.12.2017 entstandenen Interviews und Erfahrungsberichte zeigen den unterschiedlichen Stand der Umsetzung und geben praktische Rückmeldungen aus Schulen in verschiedenen Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Berlin und NRW). Sie erscheinen im wöchentlichen Abstand bis Mitte Februar 2018.


Bildnachweis: Heinrich-Hertz-Gymnasium Berlin

Ralf Dorn, Fachleiter für Informatik am Heinrich-Hertz-Gymnasium in Berlin-Friedrichshain, hat sich mit zwei weiteren Kollegen für die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Unterrichtsnutzung“ - Anwendung der HPI Schul-Cloud im Unterricht entschieden. Diese Arbeitsgruppe ist Teil des bundesweit durchgeführten Pilotschultests, an dem 27 MINT-Schulen teilnehmen. In diesem Schuljahr nehmen am Heinrich-Hertz-Gymnasium ausgewählte Klassen (Jahrgangsstufen 5 und 9) sowie der Leistungskurs 11/12 Informatik teil.

Herr Dorn, Ihre Schule hat eine langjährige Tradition als Profilschule im Bereich Mathematik. Wann sind Sie in die digitale Bildung eingestiegen, hat die Profilierung dabei genutzt?

Ja und Nein. Unsere Schule ist seit 1961 Spezialschule mathematischer Richtung in der DDR gewesen und diese Schwerpunktsetzung wollen wir auch in Zukunft fortführen. Früher kamen die Schüler* aus dem gesamten Umland, Berlin und Brandenburg. Heute ist die Konkurrenz durch andere mathematisch profilierte Schulen, die wie wir zum Netzwerk der Humboldt-Universität Berlin gehören, deutlich größer geworden. Die hohe Bedeutung der Mathematik hat nicht zu einem frühzeitigen Einstieg in die digitale Bildung geführt - wir sind erst vor drei Jahren in den Prozess eingestiegen. Mathematik bedeutet ja das Denken in Zahlen und Strukturen. Und da sind solche digitalen Hilfsmittel, wie die HPI Schul-Cloud, eher von untergeordneter Bedeutung. Doch sehen wir jetzt die Vorteile, die sich mit der digitalen Bildung bieten. Momentan sind es drei bis vier Klassen, in denen wir mit Laptops unterrichten. Ich habe vorher an einer Einrichtung unterrichtet, in der der Einsatz von Laptops längst selbstverständlich war.

Wie sieht die Breitbandausstattung aus?

Die Ausstattung war bisher eher schwach (16MBit), nun steigern wir auf grenzwertige 50 MBit. Ein weiterer Ausbau der Breitbandinfrastruktur ist in Planung. Eine IT-Firma hat uns 35 ausgemusterte Dell-Laptops (vier Jahre alt) geschenkt – für uns ist das Goldstaub. Diese haben wir mit Open Source-Programmen ausgestattet, wir verfügen aber auch über Lizenzen für Windows 10. Eine ortsansässige Firma übernimmt die Wartung der Server. In der fünften Klasse nutzen wir einen vorgesehenen Raum, darüber hinaus haben wir auch mobile Laptopklassen. Für die W-LAN Nutzung in den ausgewählten Klassen gibt es keine zeitliche Begrenzung.

Wie unterrichten Sie digital in der 5. Klasse? Sind die Kinder, gerade der Grundschule entwachsen, schon reif für ein selbstorganisiertes Lernen mit digitalen Endgeräten?

Natürlich muss ich für den Bereich Medienbildung (den wir mit der Veröffentlichung des neuen Rahmenplans im Jahre 2015 anbieten müssen) viel anleiten, der Aufwand ist hoch – da vergisst mal einer das Passwort oder die Bearbeitung der Aufgaben klappt nicht in der Systemumgebung, die anders aussieht als zuhause. Aber die Kinder sind interessiert und pfiffig. Immerhin wachsen sie mit solchen Medien auf. Das sollte man nicht unterschätzen.

Und wie sieht es bei den älteren Jahrgängen aus?

Seit Sommer haben wir auch eine 9. Klasse und einen LK Informatik (11/12. Jahrgangsstufe), in denen wir die HPI Schul-Cloud einsetzen. Wir sind drei Kollegen, die das vorantreiben. Ab Klasse 8 unterrichten wir ITG (Informationstechnische Grundbildung). Informatik bieten wir als Wahlpflichtfach ab Klasse 9 an, da entscheiden sich regelmäßig zwei Drittel einer Klasse dafür. In den Technik/IT-AGs der unteren Klassenstufen stehen die Schüler Schlange. Das sind sehr gute Voraussetzungen. Nun müssen wi als Lehrende es noch schaffen, die richtigen Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich Medien zu vermitteln.

Wie erleben Sie die gegenwärtige Nutzung der HPI Schul-Cloud, was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Natürlich ist das jetzt erst mal Aufbauarbeit – in die ich Zeit investieren muss und noch kein optimales Ergebnis erwarten kann. Struktur ist ein großes Thema. Und Usability. Derzeit nutzen wir im Unterricht teilweise noch ergänzend den Materialien-Server unserer Schule (auch übers Internet zugänglich). Wenn die nächste Runde der stufenweisen Einführung der HPI Schul-Cloud (nach der ersten Abschlussrunde im April) beginnt, setze ich auf Mitnahmeeffekte im restlichen Kollegium und möchte Multiplikatoren im Kreis der Lehrkräfte und der Schülerschaft schulen. Das kann auch in Richtung „teach the teachers“ gehen, mit eigens produzierten Videos der Kinder/Jugendlichen und selbst geschriebenen Wikis etc. Meine Aufgabe als Verantwortlicher der Pilotschule bleibt es, zeitnah und verständlich Rückmeldungen an die Programmierer vom HPI zu geben. Die sind auf unsere Erfahrungen angewiesen, um die HPI Schul-Cloud den Wünschen und Bedürfnissen der Schulen anzupassen.

*Ein sprachlicher Hinweis der Redaktion: Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet.

Die Fragen und Anmerkungen stellte Caroline Meynen, freie Journalistin am 21.12.2017. Ralf Dorn war nicht beim Workshoptag anwesend, sondern hatte seinen beiden Kollegen den Vortritt gelassen. Der am Wochenende zuvor in der Berliner Zeitung erschienene Bericht „Lernen in der Wolke“ hat ihm einige interessierte Nachfragen aus dem Kollegium beschert.

Das Interview führte Caroline Meynen, freie Journalistin.
Bildnachweis Blog-Foto: HPI/K. Herschelmann